Kess erziehen
"Kess-erziehen" ermöglicht eine Orientierung an den individualpsychologischen Prinzipien der Erziehung. Vermittelt werden die Fertigkeiten eines demokratisch-respektvollen Erziehungsstils. Im Mittelpunkt stehen dabei: Kooperation entwickeln, ermutigen, die sozialen Grundbedürfnisse achten, Grenzen respektvoll setzen und situationsorientiert handeln, d.h. dem Kind Wahlmöglichkeiten geben und ihm die Folgen des eigenen Handelns zumuten. Die Eltern werden zudem darin bestärkt, ihre eigenen Stärken wie die der Kinder in den Blick zu nehmen. Dadurch können Selbstachtung, Selbstvertrauen sowie partnerschaftliches und verantwortungsvolles Verhalten im Miteinander wachsen.
Im einzelnen geht "Kess-erziehen" darauf ein,
• | was Kinder für eine positive Entwicklung ihres Selbstwertgefühls brauchen und weshalb sie ein bestimmtes Verhalten zeigen, |
• | wie Eltern wirksam und kreativ mit Fehlverhalten umgehen können, |
• | wie Eltern im gegenseitigen Respekt Grenzen setzen können, |
• | wie die Beziehung gestärkt und Kooperation entwickelt werden können, |
• | wie Konfliktsituationen entschärft und Probleme gemeinsam gelöst werden können. |
Die von Alfred Adler begründete Individualpsychologie geht von einem ganzheitlichen Verständnis der bewussten und unbewussten Handlungs- und Erlebnisweisen aus. Unteilbar, als Individuum, orientiert sich der einzelne an der äußeren Welt. Er tut dies in einer Art, die seinem "Lebensstil" entspricht. Mit "Lebensstil" ist dabei eine langfristige Ausrichtung und Haltung gemeint, die sich über die ganze Lebenszeit eines Menschen erstreckt. Das konkrete Verhalten ist zielgerichtet, d.h. der einzelne versucht stets, bewusst oder unbewusst selbstgesetzte Ziele zu erreichen. Erst wenn man diese Ziele kennt, kann man auch das Verhalten des einzelnen verstehen.
Eines der Grundbedürfnisse und -ziele des Menschen ist es, gleichwertig einer Gruppe zuzugehören. Sein Tun und Agieren ist wesentlich darauf ausgerichtet. Das Gefühl der Zugehörigkeit hängt dabei vor allem von dem Respekt, von der Achtung und dem Vertrauen ab, das er sich selbst und das andere ihm entgegenbringen. Der Grundlage hierfür und damit auch für sozial positives oder negatives Verhalten wird schon in der (frühen) Kindheit gelegt. Entscheidend ist, wie viel Ermutigung das Kind durch andere erfährt, wie sehr sein Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gestärkt wird.
Rudolf Dreikurs (1897-1972), einer der
bedeutendster Schüler Alfred Adlers, entfaltete auf dieser Basis
individualpsychologische Prinzipien der Erziehung. Ein Kind will dazu gehören
und sich geliebt fühlen, es will wichtig sein, sich fähig fühlen und Einfluss
nehmen sowie sich sicher und geborgen fühlen können. Wenn Kinder das Gefühl
haben, dass diese sozialen Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden, versuchen sie,
diese Ziele zu erreichen: Sie fordern verstärkt Aufmerksamkeit, suchen immer
wieder den Machtkampf, neigen dazu, andere zu verletzen oder flüchten in eine
zur Schau gestellte Unfähigkeit und Untätigkeit. Erziehung wird dann schnell zu
einer täglichen nervlichen Belastungsprobe.
Können Eltern hinter dem störenden Verhalten des Kindes jedoch dessen
Bedürfnisse sehen, können sie situationsorientiert angemessen und hilfreich
reagieren. Sie zeigen den Kindern einerseits alternative Möglichkeiten auf, wie
sie die sozialen Grundbedürfnisse befriedigen können. Andererseits setzen sie
selbst bewusst andere Akzente, sodass sich die Kinder in ihren sozialen
Bedürfnisse besser geachtet fühlen können. Konsequentes, ermutigendes Handeln,
das Entwickeln von Kooperation und ein gekonntes Konfliktmanagement werden zu
wichtigen Fertigkeiten der Erziehung. Die notwendigen Grenzen erfahren Kinder
durch natürliche und logische Konsequenzen, die ihnen verantwortlich zugemutet
werden.